Ja, da stand ich nun. Mit ein paar kleinen aber feinen Löchern im Arm, darüber hinaus ratlos und extrem frustriert. Was jetzt begann war eine Odyssee vom Tierarzt zum Spezialisten, Telefonaten mit der Züchterin, Gesprächen mit meinem Mann und absoluter Planlosigkeit. Nach ettlichen tierärztlichen Untersuchungen stand dann aber fest: Pauli hatte sich einen Rückenwirbel angebrochen. Ein feiner Riss im Wirbel, kaum zu sehen, aber offensichtlich mit großen Schmerzen verbunden. Paule hatte zwar keine anhaltenden Schmerzen, sondern ausschließlich sporadisch einsetzende, immer davon abhängig, wie ich ihn anfasste oder wie er sich bewegte. Also alles extrem unkalkulierbar. Eine echte Scheiße eben.
Die Therapie lautete: abwarten. Medizinisch oder gar operativ konnte man nicht behandeln. Es musste einfach von selbst heilen. Was es auch irgendwann tat, die Wochen und Monate bis dahin, waren allerdings alles andere als erfreulich für uns. Fortan verknüpfte Paule jegliche Berührung mit potentiellem Schmerz. Und genau so skeptisch verhielt er sich mir gegenüber und igrendwann auch gegenüber meinem Mann. So durfte Micha im Laufe der folgenden Monate Paules Zähne ebenfalls in seinem Unterarm begrüßen.
Ein zähes Ringen begann. Was machen wir mit dem Kerl? Ein Hund der seine eigenen Leute beißt – wenngleich auch schmerzbedingt – ist das tragbar? Doch uns war von Anfang an klar: AUFGEBEN GIBT’S NICHT! Da müssen wir jetzt durch. Erschwerend kam hinzu, dass bei unserem kleinen Hundemann gerade die Pubertät einsetzte. Was die Sache nicht einfacher machte. Und diese Pubertät kam mit voller Wucht. So hatten wir darüber hinaus nun auch noch einen absolut triebigen Rüden, der allem nachstellte, was nur im entferntesten nach Hündin roch. Und wehe dem, seine Menschen traten ihm während oder nach einem Treffen mit einer hübschen Hündin zu Nahe. Haha, in diesen Momenten tobten Paulis Hormone und ohne mit der Wimper zu zucken, verwies er seine Menschen regelmäßig in ihre Schranken. Schließlich wusste der junge Mann um die Macht seiner Zähne. Und ich gebe zu: Ich hatte mittlerweile Angst. Eine denkbar schlechte Konstellation.
Dann war da noch die Sache mit dem Fell. Anfassen war ja über Monate kaum mehr möglich, Kämmen ebenfalls. Was blieb uns da anderes übrig, als eine komplette Schur. Halleluja, war das ein verfilzter Pelz, der dabei herunterkam. Und natürlich stellte sich auch hier die Frage – wie machen wir das überhaupt mit dem Hundefriseur, schließlich lässt der Pauli sich nicht gerne anfassen? Haha, die Lösung: Ein Maulkorb muss her. Wie sich schnell herrausstellte, war das aber keine glorreiche Idee, denn mit herunterfallenden Filz, verlor auch der Maulkorb an Spannung. Das hatten wir nicht bedacht. Und siehe da, unser Superrüde befreite sich mit einem Happ aus dem Maulkorb, sprang vom Friseurtisch und verpasste mir schon wieder ein paar Tacker im Unterarm. Zum Glück hatte es mich und nicht die Hundefriseurin erwischt. Also schlugen wir den Notfahrplan ein und fuhren zu unserer Tierärztin. Die verarztete zunächst mich und sedierte dann den Kerl, denn der restliche Filz musste schließlich auch noch runter. Teil zwei der Schur erfolgte dann an einem friedlich schlummernden Paule. Und so sah der kleine Wicht damals aus.

Pauli im Oktober 2008 im Alter von 15 Monaten, ca. 4 Wochen nach seiner Schur. Hier beim Kuschel-Spiel mit seiner damals besten Freundin Martha, die leider bereits über die Regenbogenbrücke ging…
Es gibt noch unzählige frustrierende, aber auch lustige Geschichten aus dieser Zeit zu berichten. Bestimmt erzähle ich euch auch noch die eine oder andere … irgendwann. Um die Sache an dieser Stelle allerdings abzukürzen sei gesagt: Paule ist heute ein wunderbarer Hund. Wer ihn kennt, weiß das. Es zogen zwar viele Monate ins Land, viele Seminare haben wir besucht, haben intensiv mit unserem kleinen Beißer gearbeitet und wurden von tollen Menschen, Hundetrainern, Paules Züchterin und natürlich von meinem Mann Micha bei der Arbeit mit und an Paules Verhaltensproblem unterstützt. Bei all denen kann ich mich nicht genug bedanken. Natürlich bin ich auch ein klein wenig stolz auf mich, denn schließlich habe ich mit ihm gearbeitet und die Dinge wieder in die richtigen Bahnen gelenkt. Aber ohne Hilfe hätte ich es nicht geschafft!
Und so ganz nebenbei hab ich Paule auch noch zum Rettungshund ausgebildet. Ja, die Rettungshundearbeit ist eine wirklich tolle Sache. Sie hat aus uns auch wieder ein echtes Team gemacht und hat Paule unter anderem gelehrt, mir wieder voll und ganz zu vertrauen. Seine Zähne brauchte er fortan nur noch, um Rinderohren zu vernaschen. Nach knapp 18 Monaten Ausbildung und Training – zum Vergleich, die meisten anderen Teams benötigen zwei bis drei Jahre, bevor sie eine Prüfung ablegen können – haben Paule und ich im Mai 2010 die Rettungshhundeprüfung in der Flächensuche beim Bundesverband für Rettungshunde (BRH) bestanden. Paule war zu diesem Zeitpunkt knapp drei Jahre alt. Auch wenn wir heute nicht mehr im Einsatz sind, aber das war eine tolle Zeit. Ich kann jedem, der bereit ist, viel Zeit in diese Arbeit zu investieren, nur empfehlen: Macht es auch! Diese Arbeit ist sinnvoll und macht euch und vor allem eurem Hund Spaß! Noch heute lass ich Pauli einfach so mal suchen – aktiv im Einsatz sind wir leider nicht mehr. Die Gründe hierfür spielen sich aber zu hundert Prozent auf menschlicher Ebene ab. Darüber vielleicht an anderer Stelle einmal mehr.
Und ja, Paule ist kastriert. Wir sahen damals keine andere Möglichkeit, denn die zusätzlich zum Schmerz hinzukommende hormonelle Aggression, hat es einfach nötig gemacht. Hätten wir den Schritt zur Kastration nicht gewagt, hätte ich mit Paule niemals wirklich arbeiten können, das war nach einer Testphase mit einem Hormonimplantat (Chip) schnell klar. Aber so war das Arbeiten, Trainieren und vor allem Kuscheln endlich wieder möglich. Und aus unserem hormonell indisponierten Spinner wurde ein absolut zuverlässiger Hund, Hertas souveräner großer Bruder und konsequenter Erzieher … und natürlich unser bester Freund!
Nun sage ich bis bald mit neuen Geschichten von Paule & Herta
Eure Quasselstrippe
Ein Kommentar zu „Aller Anfang ist schwer… Teil 2“